Sebastian Steudtner ist einer der bekanntesten Big-Wave-Surfer mit deutscher und österreichischer Staatsbürgerschaft, der von über mehr als 19 Jahre professioneller Surferfahrung profitiert. An seinem Homespot Nazaré, an der Westküste Portugals, dessen Monsterwellen bereits einige Einträge im Guinness Buch der Rekorde erlangten, gilt er als einer der erfahrensten Surfer.

Was Ende Oktober 2020 auf die europäischen Küsten traf hatte einen Namen: Epsilon. Ein Tropensturm der sich seit dem 15. Oktober bis zu einem Hurrikan der Kategorie 3 intensivierte und noch bis Ende des Monats über dem Atlantik aktiv war. Viele von uns konnten seine kraftvollen Auswirkungen an den Ufern live mitverfolgen – Riesenwellen auf den Kanarischen Inseln, an Frankreichs und besonders Portugals Küsten. An vielen Orten der Atlantikküste war ein Rauspaddeln und Surfen in dieser Woche undenkbar – jedenfalls für uns. Während die atlantische Hurrikansaison dem ein oder anderen einen Strich durch den Surfurlaub machte, brachte sie für andere einen der besten Surftage auf den gigantischen Monsterwellen. Ganz oben dabei war kein anderer als der deutsche Big Wave Surfer Sebastian Steudtner, der Epsilon für sich bestimmte und am 29. Oktober die größten Wellen surfte, die dieser Sturm an dem berühmten Spot des Praia do Norte in Nazaré brechen ließ.

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Bereits mit 16 Jahren zog es den gebürtigen Nürnberger nach Maui, Hawaii, um seinen Traum Profisurfer zu werden, ehrgeizig zu verfolgen. Aufgezogen von einer hawaiianischen Surflegende, kam er so seinem Ziel kontinuierlich immer näher. Auf der nicht enden wollenden Suche nach den größten Wellen der Welt surfte Sebastian erstmals 2012 in Nazaré und entwickelte sich hier zu einem Experten im Analysieren und Reiten dieser gigantische Welle, die sich am Ende einer 5.000 Meter tiefen Schlucht aufbäumt – ein unterseeischer Canyon, der nahezu rechtwinklig vor der Westküste Portugals auf Nazaré zuläuft.

Als allererster Europäer schrieb er Geschichte, indem er 2010 und 2015 die XXL Big Wave Awards gewann. Neben anderen Auszeichnungen wurde er 2011 und 2012 zum Surfer des Jahres gewählt und surfte 2018 seine berühmteste Welle aller Zeiten am Praia do Norte in Nazaré. Doch bei dieser sollte es nicht bleiben: Mit Entschlossenheit und unaufhörlicher Ausdauer hat Sebastian Steudtner sowohl das Material als auch seine sportliche Leistung für den Spot in Nazaré optimiert. Zusammen mit einem designierten Shaper entwickelte er die schnellsten Boards, die für die größten surfbaren Wellen hergestellt wurden. Er entwickelte seinen eigenen charakteristischen Shape, einen S-Shape, der die G-Kräfte nutzt und die Geschwindigkeit beim Surfen bis zu mehr als 70km/h maximiert.

Sebastian Steudtner, Foto Thomas Burblies

Foto: Thomas Burblies

Die ideale Voraussetzung zum Surfen von Riesenwellen, einem Naturphänomen, dem nur wenige Extremsportler gegenübertreten, ist eine perfekte Kombination aus äußeren und inneren Aspekten. Äußere Faktoren sind Windstille, eine hohe Periode zwischen den Wellensets und ein prognostizierter großer Wellengang. Interne Faktoren sind die Form des Athleten, ein starkes Sicherheitssystem auf dem Wasser und an Land, aber vor allem die Konstellation des Tow-In-Leistungsteams. Was im Oktober diesen Jahres an Portugals Küste eintraf, war ein perfektes Zusammenspiel dieser Faktoren und brachte Sebastian Steudtner und seinem Team einen außergewöhnlichen Surftag in ihrer gemeinsamen Karriere.

Seine Trainings- und Big-Wave-Partnerin ist die brasilianische Profi-Big-Wave-Surferin Maya Gabeira, mit der er sich vor einigen Jahren zusammen schloss, um als Team World gemeinsam Rekorde zu setzen. Als Team brachen sie im Februar 2020 Mayas eigenen Weltrekord auf der größten Welle, die jemals von einer Frau gesurft wurde. Maya ist ebenfalls eine absolute Expertin für die Monsterwellen, die durch die Unterwasserschlucht in Nazaré entstehen. Zusammen mit ihr und unterstützt von zahlreichen Sportwissenschaftlern, Militärärzten und Physiologen schaffte er es, seine Leistung zu maximieren und in Nazaré an seine Grenzen zu gehen. So auch in der riesigen Dünung, die Ende letzten Monats der Hurrikan Epsilon über den Atlantik jagte.

Sebastian Steudtner und Maya Gabeira

Sebastian ist Mitbegründer und Präsident der Nazaré Surf Rescue Association (NSRA), die sich aktiv für die Verbesserung der Sicherheitsstandards beim Surfen auf großen Wellen einsetzt. Dieser Sturm war das erste Mal, dass das Team der NSRA, Ärzte und Rettungsschwimmer am Strand, auf den schlimmsten Fall vorbereitet waren. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist das Surfen auf großen Wellen in der Tat ein Mannschaftssport, der auf blindem Vertrauen aller Teammitglieder auf dem Wasser und an Land aufbaut. Ein Team von drei Jet-Ski-Fahrern, zwei Spotter – einer auf einem Jet-Ski und einer auf der Klippe – , Ärzten und Rettungsschwimmern am Strand machten auch dieses Mal die Leistung von Sebastian Steudtner zu einer echten Teamleistung.

Nazaré Surf Rescue Association - NSRA, Foto Thomas Burblies

Foto: Thomas Burblies

Windstille, viel Sonne und die größten Wellen, die in den vergangen Jahren an diesem Spot brachen, machten den 29. Oktober für dieses Team zu einem unvergesslichen Tag des Big-Wave-Surfens, denn genau diese Kombination, am ersten Tag der Saison 2020/2021, ist extrem selten und für das Team gar unvorstellbar gewesen. Auf der größten von Sebastian Steudtner an diesem Tag gerittenen Welle war Maya Gabeira auf dem Jetski, um das Set zu beobachten und sorgfältig zu entscheiden, welche Welle gewählt werden sollte. Zusammen mit seinem erfahrenen Team von Spottern an Land erkannten sie das ankommende Set und wussten sofort, dass die Welle eine der größten sein wird, die Sebastian Steudtner je surfen wird.

Sebastian Steudtner, foto @helio_antonio

Foto: @helio_antonio

Der 25 Sekunden lange Ritt war nicht nur wegen der hohen Geschwindigkeit, sondern auch wegen des steilen Winkels der Welle eine extreme Herausforderung für den 35-Jährigen Extremsportler, der nur kurze Zeit davor von seinen Teamkollegen auf den Jetskies an Land gezogen wurde, nachdem Tonnen von Wasser ihn nach einem heftigen Wipeout begruben.

„Diese Welle, war so riesig und schnell, sie fühlte sich an, wie die größten Welle , die ich je gesurft habe.“

Ob es wirklich so war, ob ein neuer Rekord oder die beste Welle des Jahres jetzt schon von Sebastian Steudtner gesurft wurde, wird sich auf den nächsten Big Wave Awards Anfang 2021 herausstellen. Bis dahin müssen wir uns auf die ganz genauen Ergebnissen und Berechnungen gedulden und werden sicherlich noch einige spektakuläre Rides auf Riesenwellen beobachten.